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Interview Badische Zeitung

Interview mit Roberto Laraia
 

Trend-Frisuren bringen unsere wilde Seite hervor

BZ-INTERVIEW: Friseur Roberto Laraia über die Haarschnitte, die diesen Frühling angesagt sind

FREIBURG. "Wie hätten Sie's gern?" Nach dieser Frage des Friseurs beginnt für viele Kunden das große Stammeln–mit stets gleichem Ergebnis. "So wie immer" oder" Ohren frei, hinten kurz", heißt es dann. Dabei sind die Möglichkeiten mannigfaltig. Welche Frisuren diese Saison im Trend sind, hat Christian Engel im Gespräch mit Roberto Laraia vom Zentralverband des deutschen Friseurhandwerks erfahren.

Christian Engel: Herr Laraia, erinnern Sie sich noch an Schwänzchen...

Roberto Laraia: ... jene Haarsträhnen, die den Jungs von den Hinterköpfen herunterhingen? Na klar! Schreckliche Sache damals.

Christian Engel: Ich habe mein Schwänzchen geliebt. Meine Mama bot mir einst 50 Pfennig Abschneidprämie – ich lehnte vehement ab. Kurz darauf entfernte es ein Friseur rabiat. Heute hätte ich Lust auf eines, meinen Sie, das Schwänzchen ist bald wieder in?

Roberto Laraia: Ich fürchte, ich muss Sie enttäuschen. Diese Saison sind Schwänzchen sicher nicht der heiße Trend.

Christian Engel: Na gut. Aber dann verraten Sie uns doch bitte, was stattdessen in Mode ist.

Roberto Laraia: Nach der dunklen und tristen Jahreshälfte wollen wir in einen leuchtenden Sommer starten. Die Trend-Frisuren 2017 sollen locker und frei sein, aber strukturiert und immer mit einem glamourösen Touch. Die Frisuren sollen unsere wilde Seite hervorbringen.

Christian Engel: Aha.

Roberto Laraia: Wir haben die Trend-Haarschnitte in zwei Kategorien eingeteilt: „Elegant Purity“ und „Urban“. Der Elegant-Purity-Style besticht durch klare Konturen, durch reduzierte Einfachheit. Die Frisuren sind simpel, klassisch, fast schon minimalistisch – bieten gleichzeitig vielfältige Stylingmöglichkeiten.

Christian Engel: Da brauchen wir ein konkretes Beispiel.

Roberto Laraia: Einen Frauenhaarschnitt nennen wir „Fairylike“: Softe Wellen in natürlichen Farbnuancen, leicht gestuft, fließende Struktur. Für kürzere Haare empfehlen wir den „Short Shag“, eine leichte Umwandlung des englischen Klassikers „Clavi Shag“ – da werden die Haare nicht nur kürzer, sondern wirken durch besondere Schnitttechnik der Stufung auch leichter.

Christian Engel: Und für Männer …

Roberto Laraia: … gibt es beispielsweise den „Disconnected“-Schnitt: Kurze Seitenpartie, dazu überlanges Deckhaar, das gerne ins Gesicht fallen darf.

Christian Engel: Die „Elegant-Purity“-Schnitte sind schön, wirken aber, mit Verlaub, auch ein bisschen langweilig. Der moderne Mensch will doch individuell sein, Blicke und Likes auf sich ziehen.

Roberto Laraia: Dafür haben wir ja die „Urban“-Looks im Repertoire. Sie sind lebendig und experimentell. Schauen Sie sich nur mal den Schnitt „Dramatic Curls“ an, eine Hommage an die 80er. Wer das trägt, fällt auf. Das Pendant dazu für die Männer ist „Natural Mess“ – Locken sind diese Saison bei Männern ein großes Thema.

Christian Engel: Hingucker sind bei Frauen auch Festivallooks …

Roberto Laraia: … wunderbare Frisuren! Frauen können die Haare offen tragen, toll sieht es aus mit großen Locken, sogenannten „Big Waves“. Ansonsten wird für Festivalfrisuren wieder viel geflochten. Aber auf keinen Fall feste, französische Zöpfe. Lieber locker und lässig, interessant ist beispielsweise die „Happy Braid“-Flechtung – da kommt Hippie-Feeling auf.

Christian Engel: In der jüngeren Vergangenheit haben wir bei etlichen Menschen künstlich graumeliertes Haar entdecken können. Ist der sogenannte „Granny Look“ endlich wieder out?

Roberto Laraia: Er ebbt zumindest stark ab. Bei Frauen sind diese Saison Pastelltöne im Kommen. Ansonsten geht es darum, nicht alles mit einer künstlichen Farbe zuzukleistern. Angesagt sind hingegen natürliche Verläufe: Im Ansatz dunkel, zu den Spitzen hin wird es heller.

Christian Engel: Und bei Männern? Die haben sich zwischendurch gerne mal die Spitzen blondiert – Trend oder No-Go?

Roberto Laraia: Auch bei Männern gilt diese Saison: Wenn färben, dann dezent. Lieber Ton in Ton, mit matteren Farben, zurückhaltend.

Christian Engel: Sie kennen die Trends dieser Saison in und auswendig – aber woher wollen Sie eigentlich wissen, was Trend ist und was nicht?

Roberto Laraia: Wir vom Zentralverband des deutschen Friseurhandwerks orientieren uns an Kleidertrends, schauen, was international passiert. Was tragen berühmte und angesagte Stars? Wir achten darauf, was gerade in Mode ist und wie man diese weiterentwickeln kann – und geben dann Modeempfehlungen ab. Ich beispielsweise gehe auch ganz gerne in große Metropolen und gucke mir an, welche Frisuren die sogenannten Hipster dort ausprobieren – da sind teils gute und interessante Ansätze dabei, die wir aufnehmen und verbessern.

Christian Engel: Jungs orientieren sich ganz gerne an Fußballern. Ich weiß noch, wie wir 2002 während der Fußball-WM alle mit einem Irokesenschnitt à la David Beckham rumgerannt sind.

Roberto Laraia: Fußballer haben eine große Strahlkraft, gerade bei kleinen Jungs. Wer weiß: Sollte Cristiano Ronaldo nächstes Jahr bei der WM mit einem Schwänzchen über den Platz rennen, könnte Ihr Traum vom Schwänzchen-Trend vielleicht doch wieder wahr werden.

Roberto Laraia:, 52, hat im elterlichen Betrieb in Reutlingen eine Friseurlehre gemacht. Er wurde Deutscher Meister, eröffnete drei Salons, ist seit drei Jahren ArtDirector Deutschland. Er und weitere 15 Topfriseure legen jedes Jahr den Trend fest, den der Zentralverband des deutschen Friseurhandwerks seinen Mitgliedern empfiehlt. Für einen Friseurbesuch rät Laraia: Haare waschen oder dort waschen lassen, Fotos von Frisuren mitbringen, den Wunschschnitt genau beschreiben und viel darüber sprechen.

Quelle: BADISCHE ZEITUNG Christian Engel, Aus aller Welt, 18. Mai 2017

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